Die Ausstellung „Ein neues Rathaus für Herford“ ist eine Dokumentation des Kommunalarchivs Herford, Abt. Stadtarchiv, erarbeitet und gestaltet von Saskia Bruns (Auszubildende) und Christoph Laue (Stadtarchivar), 2014.
Auf 16 Tafeln zeigt die Ausstellung mit zahlreichen (teilweise bisher unveröffentlichten) Bildern und Plänen die Vorgeschichte und Baugeschichte des neuen Herforder Rathauses.
Der Bau selbst fiel in die Jahre des ersten Weltkriegs, der hoffnungsvoll begonnen in die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts mündete. So begann die Nutzung von Rathaus und Markthallen 1916 in der tiefsten Notzeit der Steckrübenwinter, in denen die Stadtverwaltung mit Notküche und Kartoffelausgabe die Not etwas lindern konnte.
Der Bau des Rathauses war für die Herforder Bauhandwerker und –zulieferer eine große Förderung, denn die meisten Leistungen wurden durch Herforder Firmen geliefert.
Das Rathaus war und ist geschmückt mit zahlreichen Kunstwerken, im kleinen und großen, viele Bürger und Firmen Herfords haben damals mit Spenden und Stiftungen dazu beigetragen, das es so geworden ist. Insofern wurde das Rathaus zu einem wirklichen Haus der Herforder Bürger und erfüllte alle Beteiligten und die Herforder sicher mit großem Stolz. Das damals entstandene Ensemble von Rathaus, Markthalle, Münster, Münsterkirch- und Rathausplatz gehört zu den schönsten in deutschen Städten, obwohl es von vielen Herforder Bürgern zu wenig wahrgenommen wird, da sich die Zentralität mehr auf den Alten Markt verlegt hat.
00 Rathausausstellung Tafel 0 Allg. Information
1 Das Alte Rathaus auf dem Alten Markt
Ende 1877/78 wurde auf Drängen des Bürgermeisters Ludwig Quentin das »Alte Rathaus« auf dem Alten Markt abgerissen, da er das bauliche Erscheinungsbild des im Renaissancestil gebauten Gebäudes nicht mehr zeitgemäß fand und es »äußerlich mehr und mehr zur Ruine« verfalle. Die zunächst geplante Restaurierung des Gebäudes entspräche laut Quentin nicht »dem wahren Interesse der Stadt«, da diese zu teuer gewesen wäre und da »das unerhörte Spektakel auf dem Markte und in den lebhaften Straßen sich zur ruhigen Arbeit und zu Ruhe erfordernden Verhandlungen« im Rathaus sehr schlecht eigne und der Platz daher als Rathaus-Standort sowieso ungeeignet sei. Ein Abriss erschien Quentin darüber hinaus sinnvoll, da es entsprechend dem Bauplan der Stadt wünschenswert war, größere, freiere und luftigere Plätze anzulegen und auf dem Alten Markt außerdem dringend mehr Platz benötigt wurde für den Wochenmarkt, Messen und sonstige öffentliche Benutzungen. Auch verkehrstechnisch stand das Rathaus »im Weg«, da es die Ausfahrten aus der Bäckerstraße, der Todtenstraße (heute Friedhofstraße) und der Rennstraße behinderte.
Obwohl viele Herforder Bürger heftig dagegen protestierten, begann der Abriss des Altstädter Rathauses wie geplant im Winter 1877 unter der Bedingung, wertvolle Teile aufzubewahren. Das eindrucksvolle Eingangsportal des Rathauses und eine der vier Säulen der Gerichtslaube landeten nach dem Abriss im neu gegründeten Altertumsmuseum und können heute im städtischen Museum bewundert werden. Auch die anderen drei Säulen konnten gerettet werden: eine stellte sich Bürgermeister Quentin in den Garten seines Grundstücks in der Schillerstraße, wo sie auch heute noch steht. Die anderen beiden wurden zu Grabsteinen umfunktioniert. Eine davon steht noch immer auf dem Alten Friedhof Hermannstraße, die andere befindet sich heute vor dem Daniel-Pöppelmann-Haus.
2 Das Baugebiet vor Beginn des Rathausbaus
Das für Herford in der Vergangenheit so bedeutende Damenstift (auch Fürstabtei oder Reichsabtei genannt) wurde nach über 1000-jährigem Bestehen im Zuge der Säkularisierung 1802 aufgehoben und das ganze Gelände fiel dem preußischen Ravensberg zu. 1804 wurde das Stift zunächst in ein Kollegiatstift für Männer umgewandelt, 1810 dann aber komplett aufgelöst. Das gesamte Gelände der ehemaligen Abteigärten zwischen Münsterkirche und Aa wurden noch im Jahre 1810 an den Kaufmann Schrewe verkauft, der dort eine Baumwollgarn-Manufaktur baute. Nach der Aufhebung der von Napoleon verhängen Kontinentalsperre 1815 ging er aber wegen der nun starken englischen Konkurrenz Ende 1820 in Konkurs.
Die Gebäude wurden 1834 bei einer Zwangsversteigerung von dem Lipper Kaufmann Friedrich Ludwig Schönfeld für 13.350 Taler erworben. Er gründete dort die erfolgreiche Spinnerei Schönfeld und konnte die Fabrik bald um weitere Gebäude erweitern. 1876 brannte die Fabrik ab und wurde von Wilhelm Schönfeld mit knappen Mitteln wieder aufgebaut. Er ernannte seinen Neffen Heinrich Schönfeld zum neuen Chef der Spinnerei. Dieser war leider kein besonders erfolgreicher Geschäftsmann, wohl auch wegen der immer größer werdenden Konkurrenz im Spinnerei-Gewerbe, und er verkaufte das Gelände 1900 für 340.000 Reichsmark an die Stadt Herford, die seit einiger Zeit nach einem geeigneten Gelände für den Neubau des Rathauses suchte. Der letzte Rest der ehemaligen Abtei und der Schönfeld'schen Fabrik wurden 1913 für den Neubau des Rathauses vollständig abgerissen.
3 Die Stadtverwaltung zwischen Abriss und Neubau
Nach Abriss des alten Rathauses zog die Stadtverwaltung zunächst in die 2. Etage des Neustädter Rathauses, dann im Oktober 1879 in die unteren Räume des ehem. Kreisgerichts (Auf der Freiheit 7). Schon 1888 wurde der Platz zu knapp und das Eichamt mußte in die alte Bürgerschule (Arndtstr. 10, später Volksbank) ausweichen. Dies war der Beginn einer wahren Umzugs-Odyssee. Von 1891-1916 waren die Abteilungen zu ständigen Umzügen innerhalb der Gebäude oder an ganz andere Standorte gezwungen, von denen hier nur einige genannt werden können: 1891 verlegten sich das Standesamt und die Hauptregistratur ebenfalls in die alte Bürgerschule, 1895 folgte die Stadtkasse. 1896 mietete man das ehemalige Kontorhaus der Fabrik Schönfeld (Münsterkirchplatz 1) an, das - zum ,Rathaus II' ernannt - dem neuen 2. Bürgermeister, der Polizei- und Steuerverwaltung, später auch dem Polizeigefängnis und dem Standesamt Platz bot.
Im September 1900 zogen die restlichen Abteilungen vom ehem. Kreisgericht in das ehem. Landratsamt (Elisabethstr. 9), von nun an Rathaus I. Aus Platzgründen mussten bald das Steueramt, das Militäramt und das Einwohnermeldeamt übergangsweise in einem angemieteten Wohnhaus und das Eichamt ab 1907 im Haus des Eichmeisters in der Komturstr. 35 untergebracht werden. 1912 baute man die ehem. Fabrik der Firma Böckelmann (Münsterkirchplatz 7) zum Rathaus III um. Nachdem ein Flügel von Rathaus II im Winter 1913 für das neue Rathaus abgerissen werden musste, kamen die Polizeiverwaltung und das Meldeamt in der Hollandstr. 49 (Rathaus IV) unter. Die Erleichterung war demnach bei allen groß, als ab dem 20. November 1916 nach und nach alle Abteilungen in das neue Rathaus ziehen konnten. Nun waren wieder alle unter einem Dach vereint.
4 Ideenwettbewerb, Kosten und Platzwahl
Aufgrund der »unhaltbaren« Unterbringung der Stadtverwaltung beschlossen die städtischen Behörden am 11. Januar 1911, dass der Rathausbau bis 1. April 1917 vollendet sein müsse. Sie legten die Baukosten auf 450.000 Mark fest. Der schon gebildete Rathausbaufond betrug 67.504 Mark, dazu sollten 1911 weitere 6000 und dann sich bis 1917 jährlich auf 16.000 Mark erhöhende Beträge zugeführt werden, so dass sich 115.000 Mark (plus Zinsen) ansammeln sollten. 1917 sollte ein Darlehen von 300.000 Mark aufgenommen werden. Zusammen mit dem Materialverkauf des bisherigen Rathauses II sollten am 1. April 1917 die geplanten 450.000 Mark vorhanden sein. Am 30. Mai 1911 beschloss man endgültig den Bau des Rathauses. Das Stadtbauamt sollte die Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs veranlassen. Noch offen war aber der Bauplatz. Die »Verkoppelungs- und Eindeichungsgemeinschaft« Herford, die die Erschließung des Geländes zwischen Bergertor, Werre, Eisenbahnbrücke, Ahmserstraße und Renntorwall betrieben, bot der Stadt mehrfach dort kostenlos ein Grundstück an.
Anfang 1912 beschloß die Stadt aber, das Gelände der früheren Schönfeldschen Spinnerei einzuplanen. Der Beschluss zur Ausschreibung des Wettbewerbs - für den ein Kredit von 10.000 Mark aufgenommen wurde - erfolgte am 15. März 1912, der Bauplatz blieb hier aber noch offen. Die Ausschreibung erfolgte am 25. Mai 1912. Alle »reichsdeutschen« Architekten konnten sich bewerben. Zur Ausschreibung wurden Pläne und vier Ansichten vom Gelände am Münsterkirchplatz beigefügt. Eine Vorgabe war, dass bis zur Fertigstellung des Neubaus das Rathaus II stehen bleiben sollte, während alle anderen Gebäude abgebrochen werden könnten. Die Teilnehmer sollten auch Überlegungen zur Unterbringung des Wochenmarktes (für ca. 250 Meter Marktstände) anstellen, evtl. unter Erhalt bestehender Bauten. Auch wurden Vorschläge für die Abtragung des »Straßenbuckels« am Münsterkirchplatz, der höher als Elisabeth- und Freiheitsstraße lag, erwartet. Ebenso sollten schon Erweiterungsmöglichkeiten eingeplant werden. Auch folgten schon sehr genaue Vorgaben für die Raumnutzung und die Flächeninhalte in Keller, Erdgeschoß, zwei Obergeschossen und dem Dachgeschoß. Vergeben werden sollten drei Preise von 3500, 2500 und 1250 Mark, weitere Entwürfe könnten für je 500 Mark angekauft werden. Alle ausgezeichneten Entwürfe gingen in den Besitz der Stadt über und sollten öffentlich ausgestellt werden.
5 Wettbewerbsteilnehmer, Preisgericht und Auswahl
Bis 1. Oktober 1912 gingen 160 Entwürfe ein. Am 11./12. November 1912 tagte das Preisgericht. Es bestand aus: Erster Bürgermeister Busse, Architekt Prof. Dr. von Thiersch aus München, Geheimer Baurat Dr. Ludwig Hoffmann aus Berlin, Stadtbaurat Schultz aus Bielefeld, Ratsherr Schönfeld, Stadtverordnetenvorsteher Lücken, den Stadtverordneten Münter und Kuhlo, sowie dem Stadtbaumeister Kallmeyer. In einem ersten Rundgang sonderte das Preisgericht 73 Entwürfe aus, die dem Bauprogramm nicht entsprachen, in einem zweiten weitere 15, im dritten weitere 19. So blieben 18 Entwürfe übrig, von denen 12 in die engere Wahl kamen. Anonym eingereicht hatten sie die phantasievollen Tarnnamen: sans phrase, Axe, Richtlinien, Verwaltungsbau, Marktplatz, Neue Straße, Gegenwart der Zukunft, Marktlauben, Gute Nachbarn, Platzfrage, Westfalen und Neumarkt. Einstimmig vergab das Preisgericht den ersten Preis an die zwei Entwürfe »sans phrase« und »Neue Straße«, sie wurden mit je 2750 Mark bedacht, auf den zweiten Platz kam »Neumarkt« mit 1750 Mark. Angekauft wurden »Marktplatz« und »Platzfrage«. Erst jetzt öffnete das Preisgericht die Briefumschläge mit den Namen der Einreicher: »sans phrase« stammte von Paul Kanold und seinem Mitarbeiter Glöckner aus Hannover, »Neue Straße« von Architekt und Dipl. Ing. Carl Hocheder aus München, »Neumarkt« von Architekt Emil Wolf aus Dresden-Blasewitz, »Marktplatz« von Krämer und Herold aus Düsseldorf und »Platzfrage« von Oberbaurat Prof. Jassy und Architekt Richard Fritz aus Stuttgart. Zusätzlich kaufte das Preisgericht noch zwei weitere Entwürfe von Josef Tiedemann aus Charlottenburg und Karl Wach aus Isernhagen bei Hannover und seinem Mitarbeiter Karl Löchner aus Charlottenburg an. Die heute noch bekannten Namen der Architekten weisen daraufhin, dass sich die »creme de la creme« der damaligen deutschen Architektenschaft beworben hatte.
6 Bewertungen und Entscheidung
Das Preisgericht gab zu den einzelnen preisgekrönten Entwürfen durchaus auch kritische Beurteilungen ab: Bei »sans phrase« gefiel die abgeschlossene Platzanlage, die schönen Einzelheiten und der reizvolle Ausblick auf die Münsterkirche. Empfohlen wurde, dass der Mittelbau die Gesamthöhe nicht überschreiten und der Saal eine günstigere längliche Form erhalten solle. »Neue Straße« sei ein malerischer Entwurf mit poetischem Zug, biete einen reizvollen Bezug zur Münsterkirche und nehme Rücksicht auf benachbarte alte Häuser. »Neumarkt« zeige eine geschickte Gruppierung des Gesamtbaues, nehme Rücksicht auf alte Bauten durch seine Zerlegung in kleinere Partien und biete historische Motive der Architektur. »Marktplatz« habe durch den geschlossenen Baukörper ein gutes Bild und sichere guten inneren Verkehr, die Lauben verhindern aber eine gute Belichtung und die Platzwirkung sei schlecht. »Platzfrage«: Die Halle auf der Südseite verdunkele Erd- und Untergeschoss, der Saalvorbau sei nicht einwandfrei, die Rück- und Seitenansichten seien aber gut. »Axe« wiege die Massen gut ab, allerdings seien die Stockwerkshöhen zu groß, der Dachreiter schwach und die Erweiterungsmöglichkeiten zu gering. »Gute Nachbarn« sei eine gute städtebauliche Idee, biete einfache Außenarchitektur, eine ruhige Silhouettenwirkung und wäre gut für geschäftliche Erledigungen geeignet. Der vom Preisgericht am 19. November 1912 unterrichtete Magistrat beschloss, die weitere Bearbeitung einer Kommission zu übergeben. Diese bestand aus dem Ersten Bürgermeister Busse, den Stadtverordneten Schönfeld, Lücken, Münter und Weihe, dem Stadtbaumeister Kallmeyer und dem Stadtkämmerer Falk. Die Kommission schlug vor, zunächst die Platzfrage endgültig zu klären. Am 3. und 13. Dezember 1912 beschlossen die städtischen Behörden die Nutzung des Platzes an der Münsterkirche. Nach mehreren Sitzungen der Kommission schlug diese Ende Dezember 1912 vor, den Entwurf»sans phrase« von Paul Kanold auszuführen, was auch die Stadtverordneten Anfang Januar 1913 bestätigten.
7 Der Sieger: Paul Kanold
Der Architekt und Professor Paul (Georg) Kanold (geboren am 18. April 1874 in Breslau und verstorben am 14. Oktober 1946 in Hannover) studierte an den Technischen Hochschulen Charlottenburg und Karlsruhe. 1901 schloss er seine Ausbildung nach dem Referendariat ab. Er war zunächst im preußischen Staatsdienst tätig, 1901 als Regierungsbaumeister, 1907 als Landbauinspektor. 1908 wechselte er zur kommunalen Bauverwaltung nach Frankfurt in das Amt des Stadtbauinspektors. 1911 wurde er Professor für Städtebau und Entwerfen an der Technischen Hochschule Hannover. Ab 1930 war er Mitglied der Freien Deutschen Akademie des Städtebaues, Berlin. Im Oktober 1939 wurde er emeritiert. Als Mitglied der NSDAP (ab 1. Mai 1933) unterzeichnete er im November desselben Jahres das »Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler«, trat aber 1943 als einziger Hochschullehrer der Technischen Hochschule Hannover aus der Partei aus. Bereits 1901 erhielt er für den Entwurf zu einem Prinzenpalais in Berlin den Schinkel-Preis. Ab 1902 war er an der künstleri-schen Ausgestaltung des Regierungsgebäudes in Minden beteiligt, ab 1903 errichtete er das Knappschaftskrankenhaus in Gelsenkirchen-Ückendorf, von 1906 bis 1908 baute er das Landratsamt (Kreishaus) in Minden als Mitarbeiter der staatlichen Bauverwaltung, zur gleichen Zeit auch das Mindener Stadttheater. Nach 1911 entwarf er auch mehrere Stadtvillen in Minden, die dann nach seinen Plänen gebaut wurden. In der Frankfurter Bauverwaltung (1908 bis 1911) plante und baute er u. a. die Liebig-Oberrealschule und die Fortbildungsschule Rohrbachstraße (heutige »Hans-Böckler-Schule«). 1909 leitete er den Teilneubau der Dorfkirche St. Aegidius in Holtensen (Hameln), 1921 errichtete er das Wohnhochhaus Hunaeusstraße 1 in Hannover, 1921-1922 das Verwaltungsgebäude der Vereinigten Schmirgel- und Maschinenfabriken AG in Hannover-Hainholz, 1925/1926 in Herford das Verwaltungsgebäude des Elektrizitätswerks Minden-Ravensberg GmbH (EMR), 1937 leitete er Renovierung und Umbau der St. Lamberti-Kirche in Oldenburg i.O.. Stilistisch ließ er sich nicht genau festlegen und schwankte zwischen neobarocken, jugendstilähnlichen und expressionistischen Formen. Er gehörte zu den bekannteren deutschen Architekten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
8 Entwürfe, Auftrag und Kosten
Die Stadt schloß mit Paul Kanold einen Vertrag. Er wurde unter Zugrundelegung seines Wettbewerbsentwurfs mit der Ausarbeitung seines Entwurfs im Maßstab 1:100 beauftragt, damit die Stadt einen Kostenvoranschlag aufstellen konnte. Ebenso sollte er innerhalb von drei Monaten Teilansichten im Maßstab 1:20 darstellen und innerhalb weiterer drei Monate Detail-Werkzeichnungen vorlegen. Kanold erhielt dafür ein Pauschalhonorar von 13.000 Mark, 11.000 nach Ablieferung der Pläne und 2.000 nach der Einweihung. 1919 bekam er nochmals 5.000 Mark nachbewilligt. Bei der Auswahl der Materialien, der Ausmalung und inneren Einrichtung war die Stadt verpflichtet, den Rat Kanolds einzuholen, auch wurde er verpflichtet auf Wunsch der Rathausbaukommission an deren Sitzungen teilzunehmen. Dafür zahlte die Stadt Kanold weitere Honorare und die Reisekosten. Die Stadtverwaltung bzw. das neu eingerichtete »Rathausbaubüro« war für den Kostenvoranschlag, die eigentlichen Bauzeichnungen, die Bauleitung und die Vergabe aller Arbeiten verantwortlich. Beschlüsse dazu veranlasste der Magistrat. Auf der Grundlage der von Prof. Kanold gelieferten Pläne wurde nun ein neuer Kostenvoranschlag ermittelt, der erheblich von den 1911 geplanten Summen abwich. Auf Vorschlag der Rathausbaukommission beschloß die Stadtverwaltung am 28. Januar und 20. Februar 1913 gleichzeitig mit dem Rathaus auch die neue Markthalle (nach Plänen von Kanold) zu errichten und für Rathaus und Markthalle den veranschlagten Betrag von 825.000 Mark zu bewilligen. Der eigentliche Rathausbau sollte 556.000, die innere Einrichtung und Ausstattung 135.000, die Platzgestaltung 53.000, die Markthalle 70.000 Mark kosten, für den Wettbewerb und allgemeine Kosten wurden 47.000 Mark veranschlagt. Dies ergab die Summe von 861.000 Mark, von der Einnahmen aus Abbruchmaterialien von 36.000 Mark abgezogen werden sollten. Daraus ergab sich die Bausumme von 825.000 Mark. Am 3. Juli 1913 wurde nach Stellenausschreibung der Architekt Ernst Geist als örtlicher Bauleiter für zunächst drei Jahre befristet im Rangeeines Beamten eingestellt.
9 Abbruch und Tieferlegung des Münsterkirchplatzes
Im Laufe des Winters 1913/14 wurden die auf den Bauplatz befindlichen Gebäude vom städtischen Fuhrpark abgebrochen und die Baustelle bis zum geplanten Baubeginn im April 1914 eingerichtet. Beim Abriss wurden u. a. eine Grundsteinlegungsurkunde und ein Bauteil aus der barocken Abteianlage gefunden. Viel länger als geplant dauerte die durch den Rathausbau notwendige Herstellung eines gleichen Straßenniveaus vom Rathausplatz und Münsterkirchplatz. Zunächst ermittelte die Stadt Ende 1913 Kosten von etwa 25.000 Mark für Entfernung des bisherigen Pflasters, der Bürgersteige und Begrenzungen, Aushub und Abfuhr des Boden, Neupflasterung, sowie Veränderungen an Rasenflächen und Geländern, Umpflanzen von Bäumen, Entwässerungsanlagen, Regenrinnen und Regenwasserschächten. Die bisher ebenerdig zu betretende Münsterkirche sollte nun mit neuen Freitreppen zu den verschiedenen Eingängen versehen werden. Einig war man sich, dass die Münsterkirche durch die Tieferlegung des Platzes eine bessere Betonung erhält und die Plätze insgesamt eine besondere Schönheit bekommen würden.
Da der Staat Eigentümer der Kirche war, begannen Verhandlungen zwischen der Stadt, der Kirchengemeinde und der königlichen Regierung in Minden. Beteiligt wurde wegen des Denkmalwertes auch Provinzialkonservator Ludorff. Schließlich wurde sogar der preußische Kulturminister mit der Angelegenheit befasst. In den folgenden Jahren fanden zahlreiche Besichtungen statt. Probleme gab es vor allem mit der Übertragung von Grundstücken, den weiteren Gebäuden im Umfeld und der Kanalisation. Da der Münsterkirchplatz früher Friedhof war, musste auch geprüft werden, wie tief ausgehoben werden könne, ohne die in mehreren Schichten übereinanderliegenden Gräber zu beschädigen. Die später gesammelten Knochenreste sollen »an geeigneter Stelle begraben« werden. Die Stadt drängelte, aber weder als im September 1914 der Rathausbau schon weit fortgeschritten war, noch im Juli 1916, als der Bau schon fast abgeschlossen war, war mit der Tieferlegung begonnen worden. Die Kosten stiegen auf 67.000 Mark, von denen der Staat 18.000 Mark für den Schutz der Kirche gegen Feuchtigkeit übernehmen wollte. Erst im August 1916 begannen die Arbeiten durch die Fa. Bernhard Breder aus Herford, sie zogen sich bis Februar 1918 hin und wurden von kritischen Leserbriefen begleitet. Die Kosten stiegen »infolge der Kriegstheuerung« weiter, so dass der Staat noch 8.000 Mark nachbewilligen musste.
10 Auftragsvergabe
Mit den Arbeiten am neuen Rathaus wurden nach Ausschreibungen hauptsächlich Herforder Firmen beauftragt. Die ersten größeren Aufträge erhielten am 30. März 1914 die Firma Gebr. Wittland (Erd- und Maurerarbeiten) und das Baugeschäft Althoff und Lakemeier (Innenputzarbeiten). Die Steinhauerarbeiten am Rathaus vergab die Stadt an Gottlieb Meyer und Johann Lankhof, die Betonarbeiten an Heinrich Lampart, die Schmiedearbeiten an Gottlieb Nolting, die Zimmerarbeiten an die Gebr. Wittland, die Eisenbetonarbeiten an Wilhelm Scheidt, die Dachdeckerarbeiten an B. Becker und die Tischlerarbeiten an Ernst Quest. Das Installationsgeschäft Karl Schierbaum lieferte die Heizungsanlage, der Tresor kam von Schlossermeister Oskar Hentschel. Für die Markthalle erledigten das Baugeschäft Gresselmeyer und Essmann die Erd- und Maurerarbeiten, die Beton- und Eisenbeton-Baugesellschaft aus Lünen die Eisenbetonarbeiten, Gottlieb Meyer die Steinhauerarbeiten, der Schieferdeckermeister Heinrich Mühlenforth die Dachdeckerarbeiten und Ernst Quest die Tischlerarbeiten. Otto Ganz und Carl Laux waren als Klempner tätig, Heinrich Stute und Wilhelm Fricke als Glaser, Behrenfeld und Söhne lieferten die Wandverblendungen, Heinrich Lampart den Fußbodenbelag, die Eisenwarenhandlung Gebr. Landmann die Beschläge und für die Maler und Anstreicherarbeiten verpflichtete die Stadt Hermann Knopf und Hans Wölke aus Herford. Für Rathaus und Markthallen wurden zudem noch zahlreiche weitere Firmen und Lieferanten aus Herford und ganz Deutschland beschäftigt. Zu jeder Vergabe sind im Stadtarchiv umfangreiche Akten erhalten. Darin enthalten sind Angebote und Prospektmaterial, die den damaligen Stand der Technik und Gestaltung illustrieren. Auch zu der Anlage der Plätze gibt es umfangreiches Material. So bekam - nachdem der Mindener Stadtgartendirektor diese Baumart besonders empfohlen hatte - die Baumschule L. Späth in Berlin, Baumschulenweg den Auftrag, die 18 Platanen für den Rathausplatz zu liefern.
11 Baubeginn, Unterbrechung durch den Krieg und Rohbau
Mit der Bauausführung wurde am 15. April 1914 begonnen. Bis Kriegsbeginn im August 1914 waren Keller-, Unter- und Erdgeschoss des Rathauses sowie die Hallenbinder der Markthalle fertig.
Wegen des Krieges ruhten die meisten Arbeiten ab Oktober 1914 bis zum 31. März 1915. Lediglich an der Markthalle wurde weiter gebaut.
Schon bald nach Kriegsbeginn gab es Vorschläge, auf dem Rathausplatz ein Kriegsdenkmal für den Herforder Seehelden Otto Weddigen aufzustellen. Auch Kanold zeichnete Entwürfe für Denkmale vor dem Portal des Rathauses.
Ab März 1915 wurden die Arbeiten trotz des Krieges weitergeführt und so beschleunigt, dass bis zum 1. Januar 1916 die Rohbauarbeiten fertig gestellt waren und nun teilweise mit dem Innenputz und der weiteren Ausstattung begonnen werden konnte.
Von den Rohbauarbeiten selbst sind bisher so gut wie keine Fotos vorhanden. Lediglich zwei Bilder zeigen die Markthalle 1916 in unverputztem Zustand und die Errichtung des Dachreiters des Rathauses.
Im Winter 1915/16 war der Rathausturm eingerüstet. Der Richtbaum war noch aufgesteckt. Auf dem erhaltenen Foto ist der Turm oben links über dem Dach der Markthalle mit Markthallenturm im Rohbau erkennbar. An der Stelle, wo sich heute die »Frischehalle« mit Käse-, Fleisch- und Brottheke befindet und die Toilettenanlagen stehen, stand 1916 noch ein kleines Häuschen mit Garten und Jägerzaun von den Neubauten eingekesselt. Hier lebte bis zum Abriss des Hauses Minna, eigentlich Marie Charlotte Beu, geborene Saarmann, zusammen mit dem Arbeiter Wilhelm Vreden.
Vorne links ging der noch nicht befestigte Weg in die heutige Abteistraße, nach rechts erstreckte sich die bereits gepflasterte Elisabethstraße mit den gerade fertig gestellten Teilen der Herforder Markthalle. Über allem thronte der Turm des Herforder Münsters. Das Häuschen wurde im Januar 1916 abgerissen, im November 1916 wurden die Fassadenputzarbeiten an der Markthalle abgeschlossen.
12 Fertigstellung und Dimensionen
Die Innenputzarbeiten und sonstigen Ausbauarbeiten zogen sie bis zum Herbst 1916 hin. Die Fassaden erhielten einen Muschelkalkputz, der Dachreiter konnte durch die Beschlagnahme von Kupfer mit Zinkblech verkleidet werden, die Büroräume und Flure wurden verputzt, während die Repräsentationsräume und der Ratskeller mit Holzvertäfelungen versehen wurden. Die Treppenstufen bestehen aus Granit, die Hallen wurden mit Platten ausgelegt, die Büros und Flure mit Linoleum. Es gab eine Warmwasserumlaufheizung, elektrische Beleuchtung und eine Zentraltelefonanlage. Die Maße des fertigen Baues von der Abtei- bis zur Münsterkirchstraße betragen 87 Meter, die beiden Flügel jeweils 48 Meter, die bebaute Fläche beträgt 2.000 Quadratmeter, die Höhe in der Mitte 30 Meter, die Höhe der Seiten und Flügel 23 Meter und bis zur Spitze des Dachreiters 40 Meter. Der Umfang des Gebäudes beträgt insgesamt 430 Meter. Verbaut wurden u. a. zwei Millionen Ziegelsteine, 56.000 Quadratmeter Eisenbetondecken, 1.600 lfd. Meter Hölzer für das Dach und 162.000 Dachziegel. Die Markthalle hat eine Länge von 72 Metern und eine größte Tiefe von 28 Metern. Die bebaute Fläche beträgt 1.550 Quadratmeter. Die Höhe zum First umfasst 11, bis zur Turmspitze 20 Meter. Der Umfang der Markthalle beträgt 240 Meter. Der Rathausplatz ist 52 Meter breit und 100 Meter lang und hat einschließlich der Rathaus-Terrasse 35.000 Quadratmeter Fläche.
13 Innenausbau und Ausstattung
Der Architekt Paul Kanold lieferte auch nahezu alle Pläne und Zeichnungen für den Innenausbau des Rathauses. Nach seinen Plänen beauftragen die Rathausbaukommission und das Rathausbaubüro unter Leitung des Architekten Fritz Geist die örtlichen und überregionalen Handwerker. Vor allem die repräsentativen Säle, Flure und die Räume der höheren Beamten wurden mit Steinmetz- und Stuckarbeiten sowie Holzverkleidungen besonders ausgeschmückt. Mit einigen der Tischlerarbeiten und der Herstellung der Möbel für die repräsentativen Säle wurde die Fa. August Stüssel beauftragt, sie baute u. a. den gesamten Stadtverordnetensaal (heute Ratssaal) aus. Auch hier hatte aber Paul Kanold die Pläne geliefert, bis hin zu einigen bedeutungsschweren Holzschnitzarbeiten. So sollten im Ratssaal ein Fuchs die Schlauheit und eine Schnecke die Bedächtigkeit der Stadtverordneten versinnbildlichen. Für weitere Ausstattungsstücke hatte die Stadt zu Spenden und Stiftungen aufgefordert. Zahlreiche Firmen, Industrielle, aber auch einfache Herforder Bürger stifteten trotz der kriegsbedingten Notzeiten Geld, Gemälde, Möbel und Raumausstattungen aber auch kleinere Details, wie z. B. eine silberne Wahlurne und Schreibzeug für die Büros für das Rathaus. Vieles davon ist heute leider nicht mehr im Rathaus zu finden.
14 Raumverteilung und Nutzung
Das Rathaus sollte nach Plan wie folgt genutzt werden: Untergeschoß, linker Flügel: Polizeiwache, Schlafraum für die Wache, Telefonzentrale, Hausmeisterwohnung mit fünf Räumen, je ein Raum für obdachlose Männer und Frauen, Eichamt, acht Haftzellen, zwei Zellen für Geisteskranke. Untergeschoß, Mittelbau: Zentralheizung, Fahrradraum und Raum für Vermessungsgeräte. Untergeschoß, rechter Flügel: Ratsbier- und Ratsweinkeller, Ratsstübchen, Küche mit Vorratsraum, Wohnung des Wirts mit sechs Räumen, Toiletten, Vorrats-, Bier- und Weinkeller. Erdgeschoß, linker Flügel: Büros für Polizeiinspektor, Kommissar, Kriminalpolizei, Militär- und Meldeamt, Büro für Wertzuwachssteuer, Trauzimmer, Standesamt. Erdgeschoß, Mitte: Vorhalle, Boten- und Wartezimmer und zentrales Treppenhaus. Erdgeschoß, rechter Flügel: Armenabteilung, Versicherungsabteilung, Kämmereikasse und Tresor. 1. Oberschoss, linker Flügel: Polizeiverwaltung, Zimmer des zweiten Bürgermeisters, Kommissionssitzungszimmer, Gewerbegericht, Polizeiarchiv, Kanzleien. 1. Oberschoss, Mitte: Zentralverwaltung, ersterBürgermeister und erster Stadtsekretär, Vorzimmer. 1. Oberschoss, rechter Flügel: Garderobe, Magistrats-Sitzungszimmer, Bibliothek, Steuerabteilung, Sitzungszimmer, Veranlagungskommission, Archive. 2. Oberschoss, linker Flügel: Messamt, Baupolizei, Bauamtsverwaltung, Stadtbaumeister, Hochbau- und Tiefbauabteilung. 2. Oberschoss, Mitte: Stadtverordnetensitzungssaal (= Ratssaal) mit 170 Quadratmeter Bodenfläche, zweigeschossig mit Galerie. 2. Oberschoss, rechter Flügel: Volkslesehalle und Reserveräume. Dachgeschoss: Reserveräume, Aktenräume, Lichtpauseraum und Dunkelkammer, besteigbarer Dachreiter mit Rundgang zur Aussicht.
15 Erste Einzüge und Nutzung im Weltkrieg
Mitten im Ersten Weltkrieg begann am 20. November 1916 die Inbetriebnahme des neuen Rathauses. Zuerst zogen die »kriegswichtigen« Abteilungen Lebensmittelamt, Kriegsunterstützunsgamt, Einquartierungsamt und Militäramt ein. Es folgten Meldeamt, Polizeiinspektion und Polizeiwache sowie das Wertzuwachssteueramt. Die Nöte des Krieges machten auch eine erste Veränderung der geplanten Nutzung nötig. Kurz nach dem Einzug wurden in den Kellerräumen für die in der nahen Markthalle eingerichtete Kriegsküche Lagerräume eingerichtet. In zwei der Zellen wurden die Kartoffeln geschält, unter der Terrasse war die Kartoffelwäsche, in die für Obdachlose gedachten Räume kam die Bekleidungsstelle für Kinder und gegenüber der Polizeiwache die Ausgabestelle für Lebensmittelmarken. Am 5. Dezember 1916 bezog das Steueramt seine Räume, am 18. und 19. Dezember kamen Stadtbauamt, Tiefbauamt und Stadtmessamt dazu. Mit dem Einzug der Hauptabteilung am 2. Januar 1917 und der restlichen Abteilungen der Verwaltung sowie der Bürgermeister und Hauptverwaltungsbeamten wurde der Umzug aus den bisherigen Provisorien schließlich abgeschlossen. Die Platzgestaltung rund um Rathaus und Markthalle war noch im Gange.
16 Die Einweihung 1917
Im Mittagssonnenschein des 7. Februar 1917 übergab Prof. Kanold auf der Rathaustreppe trotz grimmiger Kälte Oberbürgermeister Busse den Schlüssel zum neuen Rathaus. Busse dankte mit den Worten: »Sie haben über dem Haupteingange eine Figur anbringen lassen, welche das Glück darstellen soll. Wenn ich jetzt die Hauptpforte des neuen Rathauses öffne, so tue ich es mit dem Wunsche, dass mit uns das Glück in dieses Haus einziehen und dass die Arbeit, welche in unserem neuen Rathause bis in die fernste Zukunft geleistet wird, der Stadt und ihren Bürgern zum dauernden Segen gereichen wird.« Es folgte der Festakt im Stadtverordnetensaal des reich geschmückten Rathauses. Besondere Gäste waren Prinz von Ratibor und Corvey (Oberpräsident der Provinz Westfalen), Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Dr. von Borries (Regierungspräsident aus Minden), Landrat von Borries aus Herford, Oberst z. D. von Borries aus Detmold und Geheimer Regierungs- und Baurat Büchling aus Bielefeld. Dazu kamen die Spitzen aller Herforder Behörden. Begrüßt wurden diese durch den Chor der vereinigten Männergesangvereine unter Leitung des Städt. Musikdirektors Quest. In seiner Festansprache nahm Busse Bezug auf die historische Situation: »Wer hätte wohl, als am 15. April 1914 mit dem Neubau begonnen wurde, daran gedacht, dass die Festfeier der Rathauseinweihung in so bitter ernster und schicksalschwerer Zeit erfolgen würde.« Er empfahl deshalb eine schlichte und ernste Feier. Er schilderte die Geschichte der Planung vom Vorschlag seines Vorgängers Quentin, übte aber keine Kritik, »denn damals konnte niemand voraussehen, wie sich Herford entwickeln würde.« Nun wäre der Bau vollendet, und das ohne Unfall. Busse dankte allen, »bis zum letzten und einfachen Arbeiter«. Besonders dankte er Architekt Kanold, der sich »für alle Zeiten ein unvergängliches Denkmal gesetzt« habe, und Bauführer Geist, der mit seiner »gemütlichen Münchener Art ... über manche Unzuträglichkeit und Mißhelligkeiten hinweggeholfen« hätte. Das Rathaus solle »hoffentlich Jahrhunderte standhalten« und »viele wichtige Beschlüsse werden hier gefasst werden.« Das vom Turm die Fahnen »Deutschlands, Österreich-Ungarns, Bulgariens und der Türkei« wehen würden, zeige, dass der Bau ein «Wahrzeichen der im ganzen deutschen Volke vorhandenen Stärke, Kraft und Entschlossenheit« wäre. Nach Busse folgten weitere Reden von Oberpräsident, Regierungspräsident und Landrat. Dieser zitierte den Spruch vom Bürgermeisterhaus in der Höckerstraße: »Gode to Laue, Stadt Hervorde to den Eren und to der Minschen Nuth - Gott zu Lobe, Stadt Herford zur Ehre und zu der Menschen Nutzen« und gab diesen Spruch auch dem neuen Hause mit auf den Weg. Der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher Fellinger nahm Bezug auf den Ratsaal: »Mein Blick fällt da auf die beiden in Holz kunstvoll geschnitzten Darstellungen, links die der Schnecke, rechts das Bild eines Fuchses, der sich seiner Beute freut.« Sie würden Schlauheit und Verlässlichkeit symbolisieren. Als letzter Redner endete der Rektor der Herforder Geistlichkeit, Pastor Gottschalck, mit Gebet und Segen. Nach erneutem Chor begann ein Rundgang durch die neuen Räume.